Weitere Tips zum Festival




Endlich wieder auf der Leinwand

Viele sehenswerte Filme sind fast für immer von der Leinwand verschwunden oder nur auf Video oder hin und wider im Fernsehen zu sehen - oft in verstümmelter Fassung. Femme totale hat ein Herz für diese 'Klassiker' und holt sie aus der Versenkung. Ein echtes Juwel ist zum Beispiel My Brilliant Career Der Film der australischen Filmemacherin Gillian Armstrong war 1978 der erste australische Film seit 46 Jahren, der von von einer Frau gedreht wurde. Er lief bei dem Filmfestspielen in Cannes, kam in Deutschland aber nie in die Kinos.

Die Filme der Reihe:
A fool there was
USA 1915

Die Puppe
D 1919

Extra Girl
USA 1923

Les Vampires
F 1915/16

Life and times of Rosie the riveter
USA 1980

Madame a des envies
F 1905

Mit starrem Blick aufs Geld
D 1982

My Brilliant Career
AUS 1979

Wanda
USA 1970





Dokumentarfilme auf dem Festival

Hochzeit im Einkaufszentrum, Scheidung im Iran, Musiker in der Pariser U-Bahn oder die erste Frau, die um die Welt fuhr... In allen Themenschwerpunkten des Festivals finden sich spannende Dokumentarfilme.

Die Filme der Reihe:
Brandon Teena Story, The
USA 1997

Carmen Miranda - Banana is my Business
USA 1994

Dalda 13 - A Portrait of Homai Vyara Walla
UK 1996

Dangerous Offender
CAN 1995

Darf ich mal schreien?
CH 1998

Dark Hair
JAP 1980

Dark Side of Hollywood, The
USA/CAN 1997

Decline of Western Civilization, The
USA 1998

Divorce Iranian Style
GB 1998

Drei Schwestern
ISR 1998

Female Closet, The
USA 1997

Frau, die um die Welt fuhr, Die
D 1980

Greetings from out here
USA 1993

How to care for the senile
JAP 1985

I'll be your mirror
USA 1995

It was a wonderful Life
USA 1992

Life and times of Rosie the Riveter, The
USA 1980

Mit starrem Blick aufs Geld
BRD 1982/83

My America - ... or Honk if you Love Buddha
USA 1997

Ohne Bewährung
D 1997

Pastry, Pain & Politics
CH 1998

Ripples of Change/Looking for Fumiko
JAP 1993

Underground Orchestra,The
NL 1998





Aus dem hohen Norden:
Filme von finnischen Filmemacherinnen

Drei Regisseurinnen aus Finnland sind mit neueren Filmen zu Gast in Dortmund: Erstmals in Deutschland läuft Sand Bride (FIN 1998), die Geschichte einer Liebe im Alter. Er ist Pia Tikkas zweiter Spielfilm nach The Daughter of Yemanjá (FIN/BRAS 1995). Pia Tikka arbeitet seit 1989 eng mit Mika Karusmäki zusammen. Die Nacht des Schmetterlings (Neitoperho 1997) ist ein Wild Travel, ein finnisches Roadmovie der besonderen Art über eine junge Frau, die es nicht ertragen kann, abgewiesen zu werdne. Auli Mantila führt Regie und schrieb das Drehbuch. Sie war bereits 1993 Gast bei femme totale mit ihrem Kurzfilmdebut Jehu.

Pirjo Honkasalo beschließt die Runde. Sie hat sich in Finnlang längst einen Namen gemacht, ist im restlichen Europa jedoch wenig bekannt. Ihren ersten Spielfilm drehte sie 1977 mit Pekka Lehto (Kainuu 39). Fire-Eater (Tulennielijä 1998) ist ihr neuester Film und erzählt von der traumatischen Kindheit und Jugend einer Frau und ihrer Schwester.





Historische Filme

"Theda Bara, der erste Filmvamp", so schreibt Kracauer über den 1915 entstandenen Film A Fool There Was, "entsteigt in ihm angesichts zahlreicher von der Filmaufnahme herbeigelockter Passanten am Schiffskai einem Taxi, dessen Tür von einem Bettler aufgerissen wird, der zu ihr sagt: 'Das hast Du aus mir gemacht!'. (...) So geht es in sämtlichen Vampfilmen zu. Immer übt die femme fatale eine unerklärliche Faszinationskraft auf die armen Männer aus und vernichtet alles, was sich ihr nähert." Als Traumfrauen und Leinwandgöttinnen gaben die Vamps des frühen Kinos der anderen, ungezähmten, gesellschaftlich nicht konformen und im Alltag kaum lebbaren Seite von Weiblichkeit Gestalt: Blutsaugerinnen und Karrierehyänen, die über (Männer-) Leichen gehen wie Theda Bara in A Fool There Was oder verführerisch-verschlagenen Frontfrauen einer kriminellen Geheimorganisation wie Musidora in Die Vampire.

Als personifizierte Rätselzeichen - Theda Bara wurde als Anagramm von Arab Death deklariert, Musidoras Star-Persona spielte um Variationen des Wortes Vampir - waren sie für die thrilling Stories des frühen Kinos wie geschaffen, für Kriminalfälle, Abenteuer in exotischen Sets und fatale Liebesgeschichten. Das Ruinöse ihres Wesens fand sich - übertragen von der Leinwand - wieder in der Glitter-Flitter-Welt der internationalen Filmszene vor dem Ersten Weltkrieg, denn skandalös wie die Rollen und Publicity-Fotos waren auch die privaten oder halb-öffentlichen Auftritte der frühen Stars. Mabel Normand (s. Extra Girl) machte in Hollywood durch gefährliche Stunts und exzessive Parties von sich Reden und wurde in der Presse bald auch mit Alkohol und Drogen in Verbindung gebracht. Theda Bara, langjähriger Star der Fox, legte sich eine aufsehenerregende Lebensgeschichte zu: Als Tochter eines Scheichs und einer Prinzessin sei sie, so berichteten die Zeitungen, im Schatten der Pyramiden zur Welt gekommen, von Schlangen genährt und von nomadischen Wüstenstämmen entführt worden. In fast allen ihrer über 40 Filme spielte sie Variationen der femme fatale von Carmen (1915) bis Cleopatra (1917), von Salomé (1918) bis zum She-Devil (Die Teufelin, 1918).

In dem Film A Fool There Was, mit dem sie berühmt wurde, ist sie in der Rolle der ersten expliziten Vampirin der Filmgeschichte zu sehen. Kostümierung und Maske - viel Schwarz, gigantische Hüte, Netze und dunkel umrandete Augen - assoziierten sie immer wieder mit wilden Tieren (Spinnen oder Raubkatzen), mit dem Orient und dem Tod; zu den bevorzugten Requisiten von Pressefotos zählten schwarze Raben, Skelette und Totenköpfe. Ihr überlanges schwarzes Haar erschien wie eine Überzeichnung erotischer Signale, ihre Haltung repräsentierte das Fordernde und Aggressive des modernen Weiblichkeitstypus. "Kiss Me, My Fool!", legten ihr die Zwischentitel in A Fool There Was in den Mund, lange bevor Rudolfo Valentino mit seinem herrischen Lie still, You little Fool berühmt wurde.

Musidora war zur selben Zeit der französische Filmstar der Demi-Bohème. Als Irma Vep, der anagrammatischen Verfremdung von Vampir, wurde sie in Louis Feuillades Serial Die Vampire (Les Vampires, 1915/16) zum gefeierten Star. Sie verkörperte darin buchstäblich eine (auch erotisch gefährliche) Gangsterbraut, deren spektakulärste Auftritte in einem schwarzen, eng anliegenden Anzug absolviert wurden. Sie faszinierte damit nicht nur das zeitgenössische Publikum, sondern auch die künstlerische Avantgarde der Surrealisten, die die 'subversive Erotik' der Figur hervorhoben. Ihre Erscheinung in den Vampiren mit schwarzen Lackschuhen und schwarzer Kappe - katzenhaft, wie Feuillade meinte - betonte das Phantastische und Wilde dieser Kunstfigur; ihre Art zu agieren - in der Schlußepisode des Serials initiiert sie ein Orgie - unterstrich das Mondäne und sexuell Libertinäre. Auch bei Musidora hefteten sich Exzentrizität und Zweideutigkeit dem Star-Image an. Sie versetzte das Paris der 10er Jahre durch ihren glamourösen Lebensstil in Aufregung. Zu ihrem engsten Freundeskreis zählten u.a. Colette, Germaine Dulac und Marcel L'Herbier. Sie trat nicht nur im Film und auf der Bühne als Schauspielerin auf, sondern schrieb auch - Novellen ebenso wie Bühnenstücke und Songs -, malte und tanzte. Wie viele Stars, in Deutschland beispielsweise die heute vollkommen unbekannte Fern Andra - gründete sie eine eigene Filmproduktionsgesellschaft und führte bei mehreren Filmen in Frankreich und Spanien Regie.

Anders als die Stummfilmgöttinnen der 20er Jahre, Greta Garbo oder Pola Negri, sind diese ersten Vamps, die das Kino hervorbrachte, dennoch weitgehend in Vergessenheit geraten. In ihrer Vermarktungspolitik und ihren Selbstinszenierungs-Strategien, in denen sie Film und Leben zur Deckung brachten und dadurch auch Freiräume für extremen und 'lasterhaften' Lebensstil schufen, waren sie bereits Vorläuferinnen jenes industrialisierten Starsystems, das bis heute Medien-Personalities von Madonna bis zur Spice-Girl-World erschafft.

In der historischen Matinee zeigen wir eine Episode des Serials Die Vampire (Les Vampires) mit Musidora in der Rolle der Irma Vep. Das Programm wird ergänzt durch einen Vortrag von Eva Warth, Filmwissenschaftlerin und Assistant Professorin an der Universität Utrecht.

Literatur zum Thema
Janet Staiger: Bad Women. Regulating Sexuality in Early American Cinema. Minneapolis, London 1995.

Ester Carla de Miro: Mythen und Riten im Kino. Die erotischen Phantasmen des Imaginären. In: Frauen und Film, Heft 33: Die erotische Projektion. Berlin 1982, S. 3-17.

Cinéma Muet. Materialien zum französischen Stummfilm. 2. Teil: Louis Feuillade. Der phantastische Realismus. Hg. v. Filminstitut der Landeshauptstadt Düsseldorf. Düsseldorf 1980.

Georg Seeßlen, Claudius Weil: Ästhetik des erotischen Kinos. München 1978.

Siegfried Kracauer: Der Vamp-Film. In: S.K.: Kino. Essays, Studien, Glossen zum Film. Frankfurt a.M. 1974, S. 22-24.