4. Internationales Frauenfilmfestival 1993

Die Subversive Kraft des Lachens

Einleitung:

Geschlechterverhältnisse und weibliche Lach-Kultur im Film
Das Frauenfilmfestival stellte im Jahr 1993 die vielfältigen Ausdrucksformen des Komischen in der kulturellen und künstlerischen Produktion von Frauen aus dem In- und Ausland vor. Zu sehen waren - in unterschiedlichen Genres, Formaten und Medien, in verschiedenartigen Stilen und ästhetischen Ausdrucksformen - vor allem solche Arbeiten, die sich subversiver und hintergründiger Formen des Witzes, der Parodie und Satire bedienen.

Dem Geschlechterverhältnis nicht nur mit einer problematisierend-ernsthaften Haltung auf den Leib zu rücken, sondern offensiver und innovativer gegenüberzutreten - das ist schon seit langer Zeit überfällig! Immer häufiger gibt es in den letzten Jahren auch Filmemacherinnen und audiovisuelle Künstlerinnen, die sich einer distanziert-ironischen oder respektlos-bösen Perspektive auf die Frau-Mann-Beziehung bemächtigt haben. Sie unternehmen den Versuch, 'Weiblichkeit' (auch 'neue' Weiblichkeit) und 'Männlichkeit' als gesellschaftlich-kulturelle Konstrukte zu enttarnen und mit Witz in Frage zu stellen.

Karikaturen mit Kamera und Computer
Ausgangspunkt der Medienschau war die Frage, ob und wie Witz, Burleske und andere Formen der Komik geeignet sind, den Herrschaftsdiskurs wirkungsvoll zu unterlaufen und neue Formen der politischen Intervention zu schaffen. Die Tatsache, daß Lachen Teil einer Sprache des Körpers ist (sich Biegen/Schütteln/Ausschütten vor Lachen) ist stets auch als Ausdruck für die subversive, anti-autoritäre und undisziplinierte Kraft des Witzes gewertet worden. "Mit dem Lachen", so Renate Jurzik in ihrem Buch "Der Stoff des Lachens", "wird das hinter allen Ordnungsvorstellungen lauernde Chaos sichtbar und findet Ausdruck". So waren und sind Karikaturen und Witze traditionelle Mittel der politischen Auseinandersetzung. Im comicartigen oder absurden Animations- und Trickfilm können gesellschaftlich zensierte Ideen geschmuggelt werden, und 'Nachäffen' und 'Lächerlichmachen' gehören zu den Listen der Ohnmächtigen, mit denen man sich wehren, gegen Tabus und Hierarchien auflehnen kann. Daß - und wie - dies an unterschiedlichen Orten und mit verschiedenartigen Mitteln und Medien geschieht, wollte das Festival sichtbar und diskutierbar machen.

Das Festival als Ort einer neuen Lach-Kultur?
Daß dies eine komplexe und anspruchsvolle Thematik ist, ist uns nur zu bewußt. Das Festival hat Ansätze einer weiblichen Lach-Kultur (oder vieler Lach-Kulturen) reflektiert. Außerdem haben wir einen ersten kleinen Schritt getan, auch das Festival-Ritual selbst durch karnevalistische Aktionsformen und Inszenierungen zu erweitern. Dadurch sollten die Grenzen bzw. Gegensätzlichkeiten zwischen 'volkstümlicher Unterhaltung' und 'hoher (ernster) Kunst' aufgehoben werden.

Wir verstehen das Festival als einen ersten Ansatzpunkt, der kulturellen und gesellschaftlichen Spezifik von Witz und Humor nachzugehen, mit Formen der nicht-etablierten Kunst zu experimentieren, aber auch nach der Verwertung von Komik und Komödie in der alltäglichen Unterhaltungskultur (TV, Boulevardtheater) zu fragen: Was verbindet (und was trennt) Hella von Sinnen, Pia Frankenberg, Gisela Schneeberger und Tana Schanzara? Ist das (unverschämte) Gelächter von Frauen schon an sich eine Provokation? Welche Felder und Themen sucht sich die ironische Betrachtungs- und Blickweise weiblicher Kunstproduktion?

In der Kombination von Produktionen aus dem gesamten europäischen Raum, den USA, Australien, China und Japan eröffnet sich nicht nur die Perspektive auf Ähnlichkeiten und Differenzen im (filmischen) Umgang von Künstlerinnen mit dem Geschlechterverhältnis heute, sondern auch auf die kulturelle und gesellschaftliche Spezifik von Witz und Humor. Die einzelnen thematischen Aspekte des Filmprogramms wurden durch Einführungen, Diskussionen, Seminare und Workshops begleitet.



Die Schwerpunkte des Filmprogramms:

Zerrbild der Gesellschaft: Parodie und politische Satire

Das Gelächter der Geschlechter

(Über-) Lebenskünstlerinnen

Das andere Lachen - Witz und Humor in anderen Kulturen

Home Stories: Familiengeschichten

Grenzen und Tabus

Kabelsalat - Mediensatire

Lesbenfilmprogramm

Historische Filmkomödien



Zerrbild der Gesellschaft: Parodie, Politische Satire
Obwohl das Lachen häufig im Sinne der Herrschenden funktionalisiert wurde (z.B. im rassistischen oder sexistischen Witz), findet sich auch stets das Widerständige: karnevalistische Aktionsformen (wie es sie - wenn auch selten - in der neuen Frauenbewegung gab), Ideenschmuggel in Komödien, satirische Entwürfe utopischer Gesellschaftsformen.

Filme:
N(R Vi Selv Skal Sige Det (Dänisches Dynamit)
DK 1992/ 24 min. 30 sek. / Annette Olsen

Frostschutzmittel
D 1989/ 2 min. / Bärbel Neubauer

Lennä Lempi (Flieg, meine Liebe)
SF 1989/ 2 min. / Marja Pensala

Quadratisch, Praktisch, Gut...
BRD 1987/ 3 min. 30 sek. / Barbara Marheineke

Melken und Saugen
D 1991/ 28 min. / ANITA

Sexa-Pill
D 1985/ 4 min. / Bettina Bayerl

In Praxi
DDR 1979/ 3 min. / Sieglinde Hammacher

Bio-Graphics
A 1992/ 4 min. / Nana Swiczinsky

Geige, Pferd und ein bisschen nervös
R 1991/ 27 min. / Irina Ewteejewa

Der ungläubige
UdSSR/ 1984/ 10 min. / Eva Barinova

Udel (Schicksal)
CSFR 1988/ 12 min. /Jaroslava Havettova

Body Beautiful
GB 1990/ 13 min. 10 sek. / Joanna Quinn

Möchte jemand einen Keks ?
D 1990/ 4 min. / s/w / Hanna Nordholt

Negative Man
BRD/USA 1985 / 3 min. / Cathy Joritz

Lotto Texas
USA 1992/ 0 min. 30 sek. / Cathy Joritz

Grabowski, Haus des Lebens
D 1990/ 20 min. / Mariola Brillowska

Peep Show
D 1993/ 3 min. / Bettina Bayerl



Das Gelächter der Geschlechter
Die hier vorgestellten Filme setzen den Geschlechterkampf im Animations- und Spielfilm konsequent fort, thematisieren ihn aber neu, indem sie die Opfer-Täter-Relation umdrehen, verfremden oder damit spielen.

Filme:
Du Hast Kein Herz
D 1991/ 16 min. / Rotraut Pape

Hauptstrasse 260
D 1991 / 8 min. / Marion Rasche

The Weatherhouse
GB 1991/ 10 min. / Joanna Woodward

Pickelporno
CH 1992/ 13 min. / Pipilotti Rist

Elsa
SF 1982 / 4 min. 30 sek. / Marja Pensala

Pa-Ma-Triarchat
NL 1982/ 0 min. 47 sek. / Yvonne Oerlemanns

Geliebte Mörderin
D 1991/ 5 min. / Eva-Maria Hammel

Olga-Die Heilung
A/CH 1991/ 13 min. / Zipora Fried

Bar Jeder Frau
CH 1991/ 6 min. / Katrin Barben

Die Grosse Liebe
D 1993/ 27 min. / Claudia Richarz

Atlantic Rhapsody
DK 1989 - 75 min. / Karin OttarsdottĖr

Die Stille um Christine M
NL 1982/ 82 min. / Marleen Gorris

Brennende Betten
BRD 1987/88/ 83 min. / Pia Frankenberg

Danzon
Mexico 1991/ 96 min. / Maria Novaro

Sugarblues
USA 1991/ 25 min. / Nadja Anliker

Im Kreise der Lieben
D 1991/ 79 min. / Hermine Huntgeburth

Knock Out
N 1989/ 5 min. 30 sek. / Ellen Lundby

Sirup
DK 1990/ 114 min. / Helle Ryslinge

Full of Grace
B 1987 / 8 min. / Nicole van Goethem

Barmherzige Schwestern
D 1992/ 93 min. / 93 min. / Annelie Runge

Emra Waheda la takfi
(Eine Frau ist nicht genug)

ET 1989/ 130 min. / Inas Deghedy

A Period Of Piece
I/F 1973

Liebe und Anarchie
B 1987 / 8 min. / Nicole van Goethem

Film o Niczym
PL 1993/ 8 min. / Iwona Siwek

house
olga


(Über-) Lebenskünstlerinnen
Wie schaffen es Frauen, ihr - mitunter tragisch verlaufendes - Leben mit Witz und Humor - zu überstehen? Wie richten sie sich ein in- oder außerhalb der bestehenden Stereotypen von Weiblichkeit? In diesem Themenblock geht es um die alltäglichen und ganz persönlichen Strategien des Überlebens. Lachen ist in diesem Fall ein Mittel der Erleichterung, der Kompensation und der Befreiung: eine der vielen kleinen Listen der Ohnmächtigen.



Das andere Lachen - Witz und Humor in anderen Kulturen
Im Gelächter können sich auch Differenzen offenbaren - Unterschiede zwischen den Geschlechtern, zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen, zwischen Generationen und Gesellschaftssystemen. Was in der einen Kultur einen guten Stoff für Witze abgibt, kann auf einem anderen Kontinent als anstößig gelten und eine Verletzung des guten Geschmacks sein. Gags über Religion z.B. - bei uns gerade noch legitim - rufen in den USA peinliche Befangenheit hervor. Worüber ein Publikum in Japan lacht, läßt die Zuschauer hierzulande nicht mit den Mundwinkeln zucken; die Ironie-Signale, die ein lateinamerikanischer Film sendet, kommen hier vielleicht gar nicht an. Eine intensive Diskussion nach den Filmen erschien uns hier besonders notwendig und sinnvoll.

Filme:
Jehu - SF 1991
10 min. 30 sek. / Auli Mantila

Freud flyttar Hemifran (Freud verläßt das Haus)
S 1991/ 100 min. / Susanne Bier

Reci, Reci, Reci, (Worte Worte, Worte)
CSFR 1991/ 8 min. / Michaela Pavlatova

Beijing Ni Zao (Guten Morgen, Peking)
VR China 1990/ 110 min. / Zhang Nunaxin

Emraa Waheda la takfi
(Eine Frau ist nicht genug)

ET 1989/ 130 min. / Inas Deghedy



Home Stories: Familiengeschichten
Die Familie, Ort der Sozialisation, ist in besonderem Maße ironischen Attacken ausgesetzt. In der Perspektive der Video- und Filmemacherinnen entpuppt sich der "Kreis der Lieben" als Teufelskreis.

Filme:
Freud flyttar Hemifran (Freud verläßt das Haus)
S 1991/ 100 min. / Susanne Bier

Oranges are not the only Fruit
GB 1989/ 160 min. / Beeban Kidron

Schoon Genoeg - Royal Flush
NL 1988/ 18 min. / Ellen Meske

Die Mitreisenden
BRD 1988/ 15 min. / s/w/ Hermine Huntgeburth

Billi
D 1990/ 11 min. / Priska Forter

Family Turns
GB 1988/ 9 min. / Gilian Lacey

Gloria
D 1992/ s/w/ 7 min. / Hanna Nordholt

Knock Out- To tette og en bade Hette
??????????????????

Sugar Blues
USA 1991/ 25 min. / Nadja Anliker



Grenzen und Tabus
Groteske und schwarzer Humor: die Absurdität von Leben und Sterben, Leben und Tod; unfreiwillige Komik; Lachen, das im Halse stecken bleibt; die enge Verknüpfung des Witzes mit dem Schrecken, mit Verdrängtem, Traurigem und Schaurigem - dieser Aspekt stand hier im Mittelpunkt: Grenzüberschreitungen.

Filme:
Le Pont Rouge (Die rote Brücke)
B 1991/ 21 min. / Geneviéve Mersch

Headrome
D 1991/ 6 min. / Gabriela Gruber

Idole mio Black Holes/ Heavenly Bodies
D 1991/ 6 Min. 30 Sek. / Barbara Marheineke

pont


Kabelsalat - Mediensatire
Die Medien im Zerr-Spiegel: Edith (alias Eduard) Zimmermann in Aktenzeichen XX - Ungelöst auf der Jagd nach mysteriösen Verbrecherinnen, der heitere Blick auf die mühsame Arbeit der Tonfrau, eine experimentelle Video-Version des Serien-Helden James Bond und ... und ... und

Filme:
Showdowm Mit Gemi
D 1992/ 7 min. / Ulrike Zimmermann

Le Televisiun (Das Fernsehen)
???????????????

Ich
BRD 1988/ 15 min. /Bettina Flitner

Backstage
D 1991/ 43 min. / Claudia Heuermann u.a.

James Bonk In Matt Blackfinger
GB 1988/ 11 min. 39 sek. / Akiko Hada

Pump It Up!
A 1991/92/ 6 min. / Juliane Alton u.a.

Aktenzeichen XX - Ungelöst
D 1991/ 28 min. / Bettina Flitner

Das Nummerngirl
BRD 1989/ 1 min. / Claudia Richarz



Lesbenfilmprogramm
Das Lesbenfilmprogramm setzte sich aus verschiedenen Videos zusammen, die die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Lesben u. a. aus europäischer, nord- und südamerikanischer oder asiatischer Sicht thematisieren.

Hierbei handelte es sich in erster Linie um Produktionen, die durch ihre Darstellung von lesbischen Lebensformen und der Lebensfreude in ihnen die 'Subversion des Lachens' zum Ausdruck bringen.

Allen Filmen gemeinsam ist die Auseinandersetzung um Rassismus, ethnische Identitäten und die verschiedenen kulturellen Hintergründe.
Zudem wurde der erste und bislang einzige Film über das Leben von Lesben in der ehemaligen Sowjetunion welturaufgeführt.

Filme:
An die Freundinnen
D/Rußland/ 1993/ 64 min. / Natalja Sharandak

Spin Cycle
USA 1991/ 5 min. 30 sek. / Aarin Burch

Exposurecan 1990
8 min. / Michelle Mohabeer ??????

Sex and the Sandinistas
GB 1991/ 25 min. / Lucinda Broadbent

Kush
GB 1991/ 24 min. / Pratibha Parmar

Spezialangebot: Lesben-Video-Kabinett



Historische Filmkomödien
Die großen Komiker - so zeigt ein oberflächlicher Blick in Filmbücher und Retrospektiven - waren samt und sonders Männer: Charly Chaplin, Buster Keaton oder Laurel & Hardy sind als Stars des Slapstick und der Komödie bekannt. Daß gerade das frühe Kino in Europa und den USA auch den Schauspielerinnen (den "Stars") Möglichkeiten der Mitsprache und Mitgestaltung ihrer Rollen bot, ist weitaus weniger bekannt. Frauen wie Pola Negri, Ossi Oswalda, Asta Nielsen oder Dorrit Weixler gaben ihm die Konturen; In den Hollywood-Komödien der Tonfilmzeit (Lubitsch, Hawks, Capra) waren die Frauen immerhin das, was ihnen in anderen Genres verwehrt blieb: berufstätig, unabhängig, zickig, geschwätzig und widerständig (bis sie im Happy-End geheiratet wurden). Sie durften sich schlecht benehmen, Karriere machen, ohne auf den Mann ihrer Träume zu verzichten, sich Liebhaber zulegen, Geschirr zerschmettern und hysterisch kreischen, oder - wie Mae West - obszöne Sprüche machen.

Filme:
Engelein
D 1913/ s/w// 50 min. / Urban Gad

Das rosa Pantöffelchen
D 1913/ 26 min. / Franz Hofer

Ich möchte kein Mann sein
D 1918/ 45 min. / s/w/ Ernst Lubitsch